Kultur trifft UXWie Kultur das UX-Design beeinflusst

Kultur beeinflusst UX: Von Sprache und Farben bis hin zu Symbolen und Designtrends. Warum interkulturelle Kompetenz für UX-Designer entscheidend ist und wie Sie kulturelle Unterschiede erkennen und nutzen können, erfahren Sie hier.

Autor*in: Patrick Hulka

Veröffentlicht: Zuletzt aktualisiert:

Kategorie: UX Design

15 Min. Lesezeit

Was hat UX mit Kultur zu tun?

Als UXler ist man es gewohnt, immer die Nutzenden im Fokus zu haben. Was sind deren Bedürfnisse? Wie muss etwas gestaltet sein, sodass Nutzende sich bestmöglich zurechtfinden und ein angenehmes Nutzungserlebnis haben? Und vielleicht geht es Ihnen da genauso wie mir, dass man es in UX-Tests meist mit Nutzenden und Produkten aus einem uns ähnlichen Kulturkreis zu tun hat. Doch es lohnt sich über den eigenen Kultur-Tellerrand hinauszuschauen und andere Blickwinkel einzunehmen, denn auch vermeintlich ähnliche Kulturen können ganz unterschiedliche Anforderungen an die Usability haben. Im Folgenden schauen wir uns anhand von Beispielen an, welche Unterschiede es zwischen Kulturen gibt, was womöglich Gründe für diese Unterschiede sind und warum es für UXler wichtig ist, Kulturunterschiede zu kennen.

Inhalt

Anderes Land, andere Website. Aber warum?

Bittet man ChatGPT, ein Bild einer typischen chinesischen Website zu generieren (Abb. 1), ergibt sich zum Beispiel folgendes:

KI generierte Darstellung einer chinesischen Website.

Bittet man die künstliche Intelligenz hingegen, ein Bild einer typischen schwedischen Website zu generieren (Abb. 2), wird beispielsweise folgendes produziert:

KI generierte Darstellung einer schwedischen Website.
Abbildung 2 : Chat-GPT generiertes Bild einer typischen schwedischen Website

Die beiden generierten Abbildungen unterscheiden sich z. B. in Anzahl und Intensität der Farben sowie der generellen Menge an dargestellten Elementen. Zudem steht bei der schwedischen Website die Nachhaltigkeit im Fokus und sie wirkt außerdem aufgeräumter und ruhiger (zumindest auf den deutschen Nutzer). Zugegebenermaßen sind die Darstellungen sehr stereotypisch und nicht alle chinesischen oder schwedischen Websites sehen exakt so aus. Dennoch stellt sich hier die Frage, warum unterscheiden sich die generischen Websites der beiden Kulturen so sehr? Welche kulturellen Einflussfaktoren gibt es, die sich auf die Darstellung von Websites auswirken?

Die folgende Grafik gibt einen Überblick über eine Auswahl an kulturellen Einflussfaktoren, die wir uns im Weiteren anhand von Beispielen genauer anschauen wollen. Die Einflussfaktoren kann man dabei in subjektive und objektive Faktoren unterteilen.

Inforgraphik die die verschienen Einflussfaktoren auf Website zeigt und zwischen subjektiven und objektiven Faktoren unterscheidet.
Abbildung 3: Subjektive und objektive kulturelle Einflussfaktoren für Unterschiede auf Websites

Objektive Einflussfaktoren

Sprache: Ein vielfältiger Schlüsselfaktor im Web-Design

Sprachlänge

Einer der größten Einflussfaktoren auf die Gestaltung von Websites ist die Sprache.
Vergleicht man die englische, deutsche und französische Website des Online-Kleidungshandels Topshop fällt hier der Einfluss der Sprachlänge auf (Abb. 4). Da Englisch eine eher kurze Sprache ist, ist der Werbe-Slogan des Banners in der englischen Sprache am kürzesten. Französisch und Deutsch sind hingegen eher lange Sprachen, weshalb der Slogan in Französisch am längsten ist. In diesem Fall beeinflusst die Länge der Sprache auch die Schriftgröße. Je länger die Sprache, desto kleiner die Schrift. Im Extremfall kann die Länge der Sprache so z. B. die Lesbarkeit beeinflussen.

Sprichwörter

In diesem Beispiel (Abb. 4) wird auch deutlich, dass Sprichwörter, Ausdrücke oder Slang nicht immer gleichwertig in andere Sprachen übersetzt werden können. Der Slogan „Crop it like it’s hot“ hat in der englischsprachigen Gesellschaft mehr Dimension , da er sich an das Lied „Drop it like it’s hot“ anlehnt. Das deutsche Pendant „Jetzt wird abgekürzt“ ist zwar inhaltlich ähnlich, erreicht aber sprachlich nicht die gleiche Tragweite.

Drei Versionen der Topshow-Website aus den Ländern England, Deutschland und Frankreich mit Slogans in der jeweiligen Landessprache.
Abbildung 4: Topshop-Websites aus England (links), Deutschland (Mitte) und Frankreich (rechts)

Leserichtung

Schaut man von den romanischen und germanischen Sprachen zur Arabischen, sticht hier direkt die unterschiedliche Leserichtung ins Auge. Während Deutsch und Englisch von links nach rechts gelesen werden, wird Arabisch von rechts nach links geschrieben. Dies führt dazu, dass die Elemente auf einer arabischsprachigen Website rechts zentriert angeordnet sind. So befindet sich hier im Beispiel der ägyptischen Emirates Website das Logo der Airline in der oberen rechten Ecke, statt links (Abb. 5).

Screenshots der linksausgerichteten Website der Emirates Airline aus Deutschland neben der rechtsausgerichteten aus Ägypten nebeneinander.
Abbildung 5: Websites der Emirates-Airline aus Deutschland (links) und Ägypten (rechts)

Verhaltensmuster und Wahrnehmungen

Stellen Sie sich nun vor, in einem UX-Test einer Website sollen Teilnehmende das Logo einer Website suchen. Ein Proband aus England würde wahrscheinlich links oben suchen, eine Probandin aus Marokko vermutlich rechts oben. Das zeigt, dass Sprache auch Verhaltensmuster beeinflusst.
Auch die Wahrnehmung kann durch Sprache beeinflusst werden, was sich sogar neuronal nachweisen lässt. Zum Beispiel ist es bei der arabischen Sprache so, dass dort teilweise die Zeichen für kurze Vokale fehlen. Um nun die korrekte Bedeutung und Aussprache eines Wortes erkennen zu können, müssen Vorwissen oder Hinweise aus dem Kontext herangezogen werden. Dies führt dazu, dass die Gehirnhälften bei Arabisch sprechenden Menschen viel vernetzter sind, da zum Sprachverständnis Informationen aus unterschiedlichen Gehirnregionen vereint werden müssen. Die erhöhte Vernetztheit der Gehirnregionen wirkt sich dann auf die Wahrnehmung von Inhalten aus.

Sprachkomplexität

Des Weiteren unterscheiden sich Sprachen in ihrer Komplexität. Ein Beispiel für sehr komplexe Sprache ist das chinesische Schriftzeichen für „Biangbiangmian“, ein Nudelgericht. Es besteht aus bis zu 58 Strichen, das simplifizierte Schriftzeichen (Abb. 6) aus 43 Strichen. Die Schrift auf Websites kann so (zumindest für ein ungeübtes Auge) sehr komplex wirken und es bedarf unter Umständen einer größeren Auflösung oder Schriftgröße, um alle Details eines Schriftzeichens abbilden zu können.

Komplexes Chinesisches Schriftzeichen für Biangbiangmian mit 43 Strichen.
Abbildung 6: Chinesisches Schriftzeichen für Biangbiangmian mit 43 Strichen

Spracheingabe

Die Kompaktheit der Schriftzeichen ermöglicht es aber auch, viele Informationen auf kleinem Raum darzustellen. Nun könnte man vermuten, dass chinesische Websites daher sehr übersichtlich sein müssten und Schrift wenig Platz einnehmen sollte. Das Gegenteil ist der Fall. Da die Eingabe über die Strichmethode oder Pinyin-Eingabe für chinesischer Schriftzeichen nicht sehr effizient ist, werden viele Inhalte über sichtbare Menüs oder Buttons dargestellt, wodurch die Website (aus europäischer Sicht) voller wirken kann.

Symbole: Kleine Grafiken mit Fettnäpfchen-Potential

Weitere Unterschiede zwischen Kulturen zeigen sich in der Bedeutung von Symbolen. Zum Beispiel wird der Daumen hoch in einigen Ländern des Nahen Ostens als beleidigend verstanden und mit dem Zeigefinger deuten gilt in Thailand als unhöflich. Zudem werden Tieren unterschiedliche Eigenschaften zugeschrieben, z. B. steht die Eule in Deutschland für Weisheit, in China hingegen für Brutalität und Dummheit. Vor allem bei der Anwendung von Symbolik sollten diese Unterschiede zwischen den Kulturen beachtet werden.

Farben: Bunt ist nicht immer (farben-)froh

Ähnliches gilt für auch für Farben. Die Farbe Rot steht in Deutschland für Liebe oder auch Warnung, in Ägypten beispielsweise für den Tod und in China für Wohlstand. Lila wird überkulturell mit Reichtum und Spiritualität verbunden, in Brasilien und Thailand hingegen ist es die Farbe der Trauer. Und während Weiß in westlichen Kulturen mit Reinheit und Frieden verbunden wird, wird es in China und Japan bei Beerdigungen getragen und steht für Trauer und Unglück.
Natürlich bedeutet dies nicht, dass man auf z. B. brasilianischen Websites niemals die Farbe Lila verwenden sollte. Sollte es jedoch um die Auswahl einer Farbe für eine bedeutsames Element gehen, ist die Berücksichtigung der Farbbedeutung durchaus eine Überlegung wert.

Umweltfaktoren: Analog beeinflusst digital

Die physische Umwelt, in der wir aufwachsen, beeinflusst, wie wir Dinge wahrnehmen. Wächst man beispielsweise in einer hektischen Stadt mit vielen Anzeigetafeln und Geräuschen wie Tokio auf, dann empfindet man unter Umständen eine sehr informationslastige Website auch als nicht überfordernd und kann sich gut orientieren. In der Studie von Masuda & Nisbett (2006) beschrieben Japaner rund signifikant häufiger den Hintergrund einer Szene als Amerikaner. Dies deutet darauf hin, dass Japaner eine hohe Informationsdichte gewohnt sind, aus denen aufgrund der Anzahl an Informationen der Fokus nicht auf einer Hauptinformation liegt. Schaut man sich die Startseiten der Suchmaschine Yahoo aus Japan und USA im Vergleich an (Abb. 7), stellt man fest, dass auf der japanischen Seite sehr viele kleine Einzelmeldungen zu sehen sind, während auf der amerikanischen Seite eine zentrale Meldung die Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Screenshot der yahoo Website aus Japan mit sehr hoher Informationsdichte neben der reduzierteren Website aus den USA.
Abbildung 7: Yahoo-Startseite aus Japan (links) und USA (rechts)

Analog dazu fanden Miyamoto et al. (2006) heraus, dass das Ansehen von kulturell charakteristischen Stadtbildern aus amerikanischen oder japanischen Umgebungen zu unterschiedlichen Wahrnehmungsmustern führte. Japanische Stadtbilder waren mehrdeutiger und beinhalteten mehr Elemente was dazu führen kann, dass mehr auf den Kontext geachtet wird.

Technischer Fortschritt und Trends: Treiber der Web-Veränderung

Des Weiteren ermöglichen technischer Fortschritt die Umsetzungen neuer Such- und Interaktionsmöglichkeiten, wie beispielsweise freie Suchen über eine Suchleiste statt Durchklicken durchs Menü oder ein Pop-Up zu einem Chat-Bot. Im gleichen Tempo entwickeln sich auch stetig neue Designtrends, wie aktuell klare Formen und Minimalismus. Schaut man sich Website des Technikhandels Mediamarkt über die letzten Jahre an (Abb. 8), erkennt man immer weniger offene Menüs, Implementierung einer Suchleiste, mehr Whitespace und weniger plakative Werbung.

Screenshots verschiedener Versionen der Mediamarkt Website die im Lauf der Jahre minimalistischer wurde.
Abbildung 8: Mediamarkt Website über die letzten Jahre

Da aber Designtrends und technischer Fortschritt nicht weltweit gleichermaßen voranschreiten und die gleichen Ergebnisse produzieren, sind auch dies Faktoren für kulturelle Unterschiede.

Gesetze: Einschränkungen für das Design

Ebenso fluide und gleichermaßen rigide kann die Umsetzung neuer gesetzlicher Richtlinien sein, angefangen von der Zustimmung zum Sammeln von Cookies bis hin zu den Vorgaben pro Land, welche Angaben im Impressum gemacht werden müssen.

Subjektive Einflussfaktoren

Neben den objektiven Einflussfaktoren, wie Sprache, Farben und technologische Entwicklungen haben auch eher sozialpsychologische Faktoren einen Einfluss auf die Gestaltung und Struktur einer Website.

Popkultur: Promis für den persönlichen Pep

Im oben beschriebenen Beispiel der Topshop Website (Abb. 4), ist auf den englischen Seite David Bowie abgebildet, vielleicht, um auf eine besondere Kollektion hinzuweisen. Auf der deutschen und französischen Website befindet sich an gleicher Stelle ein Hinweis auf die neue gelaunchten Social Media Seiten. David Bowie ist zwar weit über das Königreich hinaus bekannt, aufgrund seiner Herkunft jedoch eine britische Ikone und hat auf popkultureller Ebene in Deutschland und Frankreich vielleicht nicht die gleiche Bedeutung.
Ob es nun Filme, Musik, berühmte Persönlichkeiten, kulinarische Spezialitäten oder die Nationalflagge sind – es gibt immer landestypische Elemente auf Websites, die von Außenstehenden evtl. nicht verstanden werden.

Verhaltens- und Denkweisen: Stereotype messbar machen

Kulturen unterscheiden sich jedoch nicht nur in ihren Vorlieben, sondern auch in ihren Verhaltens- und Denkweisen. Vielleicht kommt einem hier sofort das typische deutsche Handtuchreservieren am Hotelpool oder die ausgeprägte Gestik der Italiener in den Sinn. Dies sind Beispiele für das Ausleben kultureller Mentalitäten. Vergleicht man die Startseiten der Lufthansa-Website (Abb. 9), findet man auf der deutschen Seite unterhalb der Flugsuche einen zusätzlichen Button, um Ziele nach Budget zu suchen. Dieser Button verkörpert die Tendenz der Deutschen, Sparen zu wollen und möglichst das billigste Angebot zu finden. Auf der englischen und ägyptischen Website fehlt dieser Button.

Vergleich der Lufthansa Website aus Deutschland mit der Option Reiseziele nach Budget zu suchen, neben Versionen aus England und Ägypten, die diese Funktion nicht haben.
Abbildung 9: Lufthansa-Websites aus Deutschland (links), England (Mitte) und Ägypten (rechts)

Verhaltens- und Denkweisen lassen sich jedoch nicht nur durch Stereotype grob beschreiben, sie sind auch messbar. Beispielsweise untersuchte die amerikanische Analysefirma Clicktale das Surfverhalten von stark kontextbezogenen Kulturen wie USA, Deutschland und Norwegen im Vergleich zu schwach kontextbezogenen Kulturen wie China, Japan und Korea (Abb. 10). Sie stellten fest, dass Teilnehmenden aus USA, Deutschland und Norwegen stark mit dem Text der gezeigten Website interagierten, sehr viel lasen und mit der Maus über den Text fuhren. Teilnehmende aus China, Japan und Korea hingegen interagierten fast nicht mit dem Text und sahen sich nicht einmal die Hälfte der Seite an.

Heatmap, die das Leseverhalten von stark und schwach kontextbezogenen Kulturen auf einer Website vergleicht: Stark kontextbezogene Kulturen lesen fast alles, schwach kontextbezogene kaum.
Abbildung 10: Heatmap des Blickverhaltens, schwach kontextbezogene Kulturen (links) und stark kontextbezogene Kulturen (rechts)

Ähnliches zeigen die Ergebnisse von Zimmermann & Zimmermann (2013). Hier machten Teilnehmende aus Deutschland und den Niederlanden erst sehr viel später den ersten Klick auf der Startseite einer Website. Teilweise 40-60 Sekunden später als Personen aus Russland oder Belgien. Und analog zur Clicktale Studie fokussierten sich die deutschen und niederländischen Teilnehmenden durchschnittlich länger auf Hoteldetails als beispielsweise Teilnehmende aus Russland. In beiden Studien zeigen sich quantitative messbare Unterschiede im Bedürfnis nach Informationen zwischen Kulturen – interessanterweise auch zwischen Ländern, die geografisch direkte Nachbarn sind.

Markenwahrnehmung: Eine Marke – viele Gesichter

Unterschiedliche Verhaltens- und Denkweisen können weiterhin dazu führen, dass Unternehmen oder Marken in Ländern unterschiedlich wahrgenommen oder zu unterschiedlichen Zwecken genutzt werden. Im Vergleich der Lufthansa Website (Abb. 9) steht für die Ägypter abgeleitet von der Grafik das Reisen zu Business Zwecken im Vordergrund. Dies zeigt, dass die Lufthansa als Airline oder Marke in Ländern unterschiedlich wahrgenommen wird. In Ägypten ist die Lufthansa vermutlich keine Urlaubsairline und wird eher mit berufsbedingten Reisen verbunden. Das ist nachvollziehbar, denn es fliegen wahrscheinlich mehr Deutsche nach Ägypten in den Urlaub als Ägypter nach Deutschland.

Warum sind Kulturunterschiede für UXler relevant?

Als UXler sind wir es gewohnt, unterschiedliche Blickwinkel einzunehmen. Einer dieser Blickwinkel sollten dabei kulturelle Einflüsse sein. Wie in den beschriebenen Beispielen deutlich wird, können sich kulturelle Unterschiede sehr vielseitig zeigen und mitunter die komplette Struktur einer Website verändern. Es ist also für UXler imminent, sich interkulturelle Kompetenz anzueignen. Und damit ist nicht gemeint, sich mit allen Gepflogenheiten jeder Kultur bestens auszukennen. Es geht mehr darum, ein Bewusstsein für mögliche kulturelle Unterschiede und deren Auswirkungen zu entwickeln. Eine gewisse kulturelle Sensibilität ist in allen Schritten des UX-Prozesses hilfreich.

Im UX-Test: Kultur in allen Phasen

In der Startphase eines UX-Tests steht zunächst die Rekrutierung passender Teilnehmender und die Erstellung eines Zeitplans an. Bei der Spezifizierung der Zielgruppe kann es bspw. relevant sein, aktiv unterschiedliche Kulturen miteinzubeziehen. Bei der Erstellung eines Zeitplans sollte beachtet werden, dass es unterschiedliche Terminkulturen gibt. Beispielsweise neigen Südeuropäische Länder Südeuropäer neigen zu einerdazu, eher unpünktlich zu sein und haben eine höhere No-Show-Rate. entspannteren Haltung zu Pünktlichkeit. In vielen südeuropäischen Kulturen wird Pünktlichkeit nicht immer auf die Minute genau genommen und weniger streng betrachtet.
Durch Pufferzeiten zwischen den Interviews und Einplanen von Überrekrutierung kann dem vorgebeugt werden, um einen problemlosen Ablauf der Interviews zu ermöglichen.

Beim Erstellen des Interview-Leitfadens und Durchführung eines Pretests kann die Länge der Sprache eine Rolle spielen. Wir haben im Beispiel der Topshop-Website gesehen, dass Sprachen unterschiedlich lang sein können und so in einem Interview auch unterschiedlich viel Zeit in Anspruch nehmen können. Um den Sprachlängen entgegenzukommen, kann die Anzahl an Fragen oder die Gesamtlänge der Interviews angepasst werden.

Während des Interviews kann die Auskunftsfreudigkeit der Teilnehmenden eine Rolle spielen. Manche Kulturen sind sehr präzise und eher zurückhaltend in der persönlichen Kommunikation, weshalb die Antworten kürzer sind. Zudem kann es sein, dass z. B. Teilnehmende aus asiatischen Ländern tendenziell weniger Kritik äußern, da öffentliches Kritisieren dort nicht gängig ist. In beiden Fällen kann gezieltes Nachfragen helfen, möglichst viele Informationen zu erhalten.

Im Expert-Review: Gleiche Prinzipien aber anderes Prinzip

Im Expert Review beurteilt ein UXler Produkte anhand von Prinzipien und Heuristiken. Obwohl die UX-Prinzipien nach DIN EN ISO 9241-110 in ihrer Definition kulturübergreifend einsetzbar sind, kann die Umsetzung der Prinzipien sich zwischen Kulturen unterscheiden.
Aufgabenangemessenheit bedeutet zum Beispiel erforderliche Bedienelemente darzustellen. Für eine Website in chinesischer Sprache könnte das bedeuten, dass mehr Buttons oder Menüpunkte eingefügt werden sollten, da die Sticheingabe in einer Suchleiste für die Nutzenden aufwendiger wäre. Für eine deutsch- oder englischsprachige Website würde man vermutlich nicht auf diese Idee kommen, da hier eher nach dem Credo „weniger ist mehr“ designt wird und eine Suchfunktion einfacher genutzt werden kann. Unter Aufgabenangemessenheit wird auch verstanden, standardmäßige Auswahlmöglichkeiten zu geben. Das könnte die Auswahl der Bezahlmöglichkeiten beeinflussen. In England ist z. B. PayPal eine gängige Anwendung, während in China eher das Pendant Alipay genutzt wird.
Das Prinzip der Erwartungskonformität beschreibt die angemessene Reaktion auf Benutzerhandlungen sowie sprachlich und kulturelle Konventionen. Im Websitekontext könnte dies die Frage aufwerfen, ob bei einer erfolgreichen Bearbeitung „Erledigt.“ erscheint oder eine animierte Figur applaudiert. Je nach Kultur kann das eine zu unpersönlich oder das andere zu übertrieben wirken.
Über das Prinzip Benutzerbindung soll Vertrauen hinsichtlich der Anwendung geschaffen werden. Bei Produkten spielt hier die Anzahl der angezeigten Informationen eine Rolle. In China bedeuten viele Informationen eine gute Qualität, während man sich in Deutschland wahrscheinlich eher bedrängt fühlen würde und das Produkt abwerten würde.
Bewerten wir also die Usability von Anwendungen, deren Zielgruppe eine andere Kultur ist, müssen wir die unterschiedliche Auslegung der UX-Prinzipien beachten. Das UX-Design anderer Länder ist demnach nicht schlechter, sondern einfach anders, als wir es vielleicht gewohnt sind.

Abschließende Worte: Gleiche Brille, aber neuer Blickwinkel!

In diesem Artikel wurde deutlich, dass sich Kultur sich auf viele verschiedene Elemente einer Anwendung auswirkt. Um diese Auswirkungen erkennen und gegebenenfalls bewerten zu können, ist kulturelle Kompetenz gefragt. Und keine Angst, man muss als UXler kein voll ausgebildeter Kulturanthropologe sein. Kulturelle Kompetenz kann man sich Stück für Stück erarbeiten, wenn man immer die besonderen Eigenschaften und Anforderungen der jeweiligen Zielgruppe im Blick behält. Also im Grunde sollte man einfach weiter das tun, was man als gewissenhafter UXler sowieso macht: Sich die Nutzendenbrille aufsetzen und so die (kulturellen) Anforderungen im Blick haben!

Quellenangaben
Dieser Artikel basiert teilweise auf Informationen aus früheren Beiträgen des usabilityblog.de. Einige der ursprünglichen Artikel sind möglicherweise nicht mehr zugänglich.

1„Andere Länder, andere Seiten – Nationale Startseiten internationaler Unternehmen im Vergleich“ | Andrea Struckmeier (2013) eresult.de
Textquellen

Internet
“Typisch deutsch verschaltet“ Christiane Gelitz (2023) https://www.spektrum.de/news/typisch-deutsch-verschaltet-die-muttersprache-praegt-das-gehirn/2125008

„Interkulturelle Kompetenz – Wie man internationaler Designer wird“ Chloe Chan (2016)

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Standard. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Weitere Informationen

„User Experience und der Einfluss von kulturellen Faktoren“ Amina Abromand (2016)
https://www.basecom.de/user-experience-und-der-einfluss-von-kulturellen-faktoren/

„Web Design China: Usability und Blickverhalten sind anders“ Beat Z’graggen (2014)

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Standard. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Weitere Informationen

„Andere Länder, anderes Web? Wie kulturelle Unterschiede Websites prägen (und wie nicht).“ Sebastian Felge (2014)

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Standard. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Weitere Informationen

„Unterschiede im UX Design: China und westliche Kulturen“ Yang Zhong (2022)
https://www.ergosign.de/de/insights/blog/ux-design-china

“Bridging the CulturalUX Divide: Why China’s Approach Matters” Zippora Lau (2023)
https://digitalcreative.cn/blog/how-china-ux-is-different

Studien

Masuda, T., & Nisbett, R. E. (2006). Culture and Change Blindness. Cognitive Science, 30(2), 381–399. https://doi.org/10.1207/s15516709cog0000_63
Miyamoto, Y., Nisbett, R. E., & Masuda, T. (2006). Culture and the Physical Environment: Holistic Versus Analytic Perceptual Affordances. Psychological Science, 17(2), 113-119. https://doi.org/10.1111/j.1467-9280.2006.01673.x
Zimmermann, S. & Zimmermann, U. (2013). Kulturelle Unterschiede im online Blickverhalten: Nutzungs- Schnittstellen für interkulturelle Nutzergruppen. In S. Boll-Westermann, S. Maaß & R. Malaka (Ed.), Mensch & Computer 2013 – Workshopband: 13. fachübergreifende Konferenz für interaktive und kooperative Medien (pp. 487-494). München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag. https://doi.org/10.1524/9783486781236.487

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kommentare

0
  • Handgeschriebene Notizen auf Papieren und Post-its an einer Glasscheibe, im Hintergrund eine Stadtlandschaft mit Bürogebäuden.

    Veröffentlicht am 14.01.2025 UX Design

    Design Sprint: Tipps & Tricks

    Design Sprints sind ein mächtiges Werkzeug, um in kurzer Zeit kreative Lösungen zu entwickeln – doch wie gelingen sie wirklich erfolgreich? In diesem Artikel teilen wir praktische Tipps, von der Vorbereitung bis zur Moderation, und zeigen, wie Sie typische Stolpersteine…

    Weiterlesen
  • Pinnwand mit vielen Post Its aus der Konzeptionsphase eines UX-Projekts.

    Veröffentlicht am 15.12.2024 UX Design

    UX-Konzeption: Strategien für optimale Benutzererfahrungen

    Eine erfolgreiches UX-Konzept ist der Schlüssel zu optimalen Benutzererfahrungen. Unser Artikel zeigt die Grundlagen, Methoden und Strategien – von User Research bis Prototyping – und bietet Einblicke in bewährte Ansätze und aktuelle Trends.

    Weiterlesen
  • Werkzeuge an einer Wand aufgehängt.
    Quelle: Lachland Donald | Unsplash

    Veröffentlicht am 30.10.2024 User Research, UX Strategie

    ResearchOps: Der Hebel zur Steigerung der UX-Reife

    Um in großen Organisationen oder Projekten erfolgreich nutzerzentriert zu entwickeln, ist ein relativ hoher UX-Reifegrad notwendig. In diesem Kontext verbreitet sich das Konzept der Research Operations. Hier erfahren Sie, warum es auch in Ihrem Unternehmen stärker eingebunden werden sollte.

    Weiterlesen