Agile UX Testing: Kontinuierlich testen mit User Feedback Days
Viele Entwicklungsteams arbeiten heute agil – mit dem Ziel, flexibel auf Marktveränderungen zu reagieren und Produkte iterativ weiterzuentwickeln. Ein gemachtes Nest um UX-Erkenntnisse spontan einfließen zu lassen, oder?
Die Realität sieht (sehr) oft anders aus. Technische Anforderungen dominieren die Backlogs.
UX-Tests scheitern oft am Timing: zu spät, zu unflexibel, zu aufwändig. Ein User Feedback Day löst genau dieses Problem – effizient, schnell und integrierbar in agile Prozesse. Mehr über den Ansatz, kontinuierlich Nutzerfeedback zu gewinnen und zu nutzen, erfahren Sie hier.
Was ist ein User Feedback Day?
Ein User Feedback Day (kurz: UFD) ist die verkürzte Variante eines klassischen User-Experience-Tests im Labor. UFDs werden mit 6–8 Proband*innen geplant und finden regelmäßig (z. B. immer am 30. eines Monats statt). UFDs können innerhalb von einer Woche durchgeführt werden – vom Kickoff mit dem Testbriefing bis zur Lieferung der Erkenntnisse. (Lediglich die Rekrutierung der Proband*innen braucht etwas mehr Vorlauf.) Wir zeigen Ihnen, wie das funktionieren kann und welche Ergebnisse Sie erwarten können.
Herausforderung: Nutzerzentrierung in agilen Projekten
Die agile Produktentwicklung zeichnet sich durch Flexibilität und schnelle Iterationen aus, doch oft kommt die Perspektive der Nutzenden zu kurz. Die Herausforderung besteht darin, UX-Praktiken nahtlos in die eng getakteten agilen Projektphasen zu integrieren, um benutzerfreundliche und marktgerechte Produkte zu schaffen.
Fehlende Einbindung der Nutzenden in die agile Produktentwicklung
Auch in der Welt der agilen Produktentwicklung ist es verführerisch, sich auf Intuition und persönliche Erfahrung zu verlassen, wenn es um Entscheidungen über das Produktdesign und die Funktionalität geht. Doch dieser Ansatz birgt erhebliche Risiken. Ohne das Feedback der Nutzenden besteht die Gefahr, Produkte zu entwickeln, die am Bedarf des Marktes vorbeigehen oder nicht benutzerfreundlich sind. Die Herausforderung besteht darin, Nutzerfeedback nicht als nachträglichen Schritt, sondern als integralen Bestandteil des agilen Entwicklungsprozesses zu betrachten. Doch häufig sieht die Praxis anders aus.
Es wird getestet, aber zu spät
Wir beobachten häufig, dass UX-Praktiken (z. B. UX-Tests oder Expert Reviews) ad hoc durchgeführt werden – also ohne genug Vorlauf und dahinterliegendem Prozess.
Beispiel: Es steht der Release einer neuen Webseite an. Bevor diese in Betrieb genommen wird, soll ein UX-Test durchgeführt werden, um das Feedback der Nutzenden zu berücksichtigen.
Diese Vorgehensweise ist suboptimal. Wenn erst getestet wird, wenn das Produkt fast fertig entwickelt wurde, sind die Erkenntnisse aus dem Test nicht bzw. kaum mehr umsetzbar. Doch nicht nur die schlechte Umsetzbarkeit ist ein Problem. Es wird so auch die Chance verpasst, frühzeitig etwas über die Anforderungen der Zielgruppe zu lernen und diese in der Entwicklung zur berücksichtigen.
Doch UX und agile Produktentwicklung müssen nicht in Opposition zueinanderstehen, sondern sollten synergetisch gedacht werden. Die Integration von UX-Praktiken in die agile Produktentwicklung verlangt eine Anpassung sowohl der Denkweise als auch der Arbeitsabläufe.
Eine Lösung: Dual Track Entwicklung mit User Feedback Days
Ein möglicher Ansatz, UX-Praktiken in Entwicklungszyklen zu integrieren, ist die Dual-Track-Entwicklung. Hierbei wird zwischen „Discover“ und „Deliver“ unterschieden. In der Discover-Phase werden die Produktidee und das Konzept entwickelt, während die Deliver Phase das Konzept bzw. das Produkt produziert und umsetzt. Manche machen dies mit zwei Teams. Dabei ist das Discover-Team dem Deliver Team immer einen Sprint voraus.

Die Trennung zwischen dem Entdecken von Optimierungsmaßnahmen (Discover) und der Umsetzung (Deliver) ermöglicht es, kontinuierlich UX-Praktiken durchzuführen und die Erkenntnisse in einem separaten Discover-Backlog zu verwalten. Dieses beliefert dann stetig das Deliver Backlog. Dieser Prozess ermöglicht es, User Feedback Days kontinuierlich im Discover-Team durchzuführen, die Erkenntnisse zu reflektieren, Konzepte zu erarbeiten und diese dem Deliver Team zu übergeben.
Wichtig zu beachten ist, dass das Deliver-Team einen Rücklaufkanal für Rückfragen/Anmerkungen zur technischen Machbarkeit zum Discover-Team haben muss. Es ist möglich, dass im Discover-Team Ideen entstanden sind, die technisch zu aufwändig sind. Mit diesen über den Rücklaufkanal mitgeteilten Informationen kann das Discover-Team dann im nächsten User Feedback Day ein geeigneteres Konzept ableiten.
Das nutzerzentrierte Vorgehen ist als Lernprozess zu verstehen. Es muss immer wieder am Konzept geschliffen werden (iteratives Vorgehen), um für alle Seiten das bestmögliche Produkt zu entwickeln. Gerade unter dem Gesichtspunkt vertragen sich Agilität und Nutzerzentrierung hervorragend.
User Feedback Days in der Praxis
Als UX-Agentur unterstützen wir Unternehmen dabei, nutzerzentrierte Produktentwicklungsprozesse effizient in ihre (agile) Arbeitsweise zu integrieren. Die nachfolgend dargestellte Vorgehensweise basiert auf unseren Erfahrungen und bewährten Methoden, kann aber je nach Unternehmen, Produkt und spezifischen Herausforderungen individuell angepasst werden. Entscheidend ist, dass UX-Prozesse nicht als starre Vorgaben betrachtet werden, sondern flexibel genug sind, um sich optimal in bestehende Abläufe einzufügen.
Im Folgenden zeigen wir exemplarisch, wie ein User Feedback Day abläuft und welche konkreten Vorteile sich daraus für Ihr Produktteam ergeben.
Ablauf von User Feedback Days
Einer der Vorteile von User Feedback Days ist die Schaffung eines einheitlichen Prozesses für UX-Tests. Es wird klar definiert, wann z. B. die Rekrutierung beginnt, mit welchem Vorlauf der Kickoff-Termin stattfindet und was nach den Interviews passiert. Die Ergebnisse sind sehr schnell verfügbar und das Produktteam kann direkt damit weiterarbeiten.
Der schematische Ablauf eines User Feedback Days gliedert sich in folgende Phasen:
1. Anfrage & Stornierungsfrist UFD
Der Prozess startet mit der Definition der Zielsetzung, einem ersten groben Setup sowie der Terminierung des User Feedback Days. Gleichzeitig wird eine Stornierungsfrist festgelegt, um Sicherheit für die Planung zu bekommen.
2. Start der Rekrutierung
Basierend auf den Anforderungen des Tests beginnt die Rekrutierung der passenden Testpersonen. Dabei werden relevante Zielgruppenmerkmale berücksichtigt, um sicherzustellen, dass die richtigen Nutzenden teilnehmen.
3. (Virtueller) Kickoff-Termin
In einem gemeinsamen Kickoff-Meeting werden alle relevanten Aspekte besprochen. Dazu gehören die Klärung offener Fragen, das Studien- und Testdesign sowie die genauen Abläufe. Letzte Details werden abgestimmt.
4. Showtime – Durchführung des User Feedback Days
Am Tag des Tests werden mit 6 Proband*innen je ca. 45-minütige explorative Sessions durchgeführt. Die Teams können die Nutzerinteraktionen live beobachten (vor Ort oder remote). Nach jeder Session erfolgt ein Debriefing, um erste Erkenntnisse zu sammeln und zu diskutieren.
5. (Virtueller) Ergebnisworkshop
Einen Tag nach der Testdurchführung findet der Ergebnisworkshop statt. Hier werden die gesammelten Erkenntnisse reflektiert und in konkrete Maßnahmen überführt. Ziel ist es, eine gemeinsame UX-Vision und Strategie abzuleiten.

Durch standardisierte Briefing-Vorlagen und Abläufe erhöhen wir gemeinsam stetig die Effizienz und reduzieren Ihren Aufwand hinsichtlich der UX-Tests.
Erleben & Verstehen – Live-Beobachtungen machen es möglich
Bei einem User Feedback Day beobachten Sie Ihre Nutzenden live (remote oder vor Ort in einem Uselab). Sie lernen auf diese Weise Ihre Nutzenden besser kennen, verstehen deren Wünsche und Anforderungen und können sich somit mit jedem UFD ein bisschen besser in Ihre Nutzenden und Kund*innen hineinversetzen.
Bestenfalls nehmen sowohl Entwickler*innen & Designer*innen als auch Produktmanager*innen & interne UX-Professionals die durch UFDs gebotene Gelegenheit zum Nutzerkontakt wahr.
Sollten Ihre Teams an verschiedenen Orten verteilt arbeiten, dann bieten wir Ihnen die Möglichkeit der Live-Beobachtung per Videostreaming. Die Daten aus den Nutzersessions und Nutzerbefragungen werden dabei über das Internet übertragen und sind per Link aufrufbar. Simultan, ohne Zeitversatz und somit ohne Reiseaufwände für Sie und Ihr Team.

Details zur Datenerhebung
Bei einem User Feedback Day werden explorative Testsessions mit Vertreter*innen Ihrer Zielgruppe(n) in einem Usability-Labor oder remote durchgeführt. Die Testsessions sind als Einzelexplorationen angelegt. Eine geschulte Testleitung moderiert die Sessions: sie stellt den Proband*innen Aufgaben, befragt sie und lässt die Proband*in an passender Stelle explorieren.
Unsere Testleitungen sind erfahrene UX-Expertinnen und -experten, die die Studie gemeinsam mit Ihnen konzipieren und die erhobenen Daten interpretieren sowie Empfehlungen ableiten.
Die Testsituation wird auf den Nutzungskontext des Produktes so realistisch wie möglich abgestellt. Dazu spiegeln die im Test gestellten Aufgaben die zentralen Nutzungssituationen (Use Cases) und Nutzungsanlässe (Szenarien) wider.
Während der Bearbeitung der Aufgaben werden die Proband*innen bei der Interaktion mit dem Prototyp beobachtet und gebeten “laut zu denken”. Der Nutzerbeobachtung kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu. Sie stellt sicher, dass die nicht-verbalisierten Reaktionen der Proband*innen erkannt werden. Die Protokolle lauten Denkens („Thinking aloud“) decken die hinter den Aktionen liegenden Motivationen auf.
Nach jeder Bearbeitungsphase geht die Testleitung die Usability-Probleme in einer Nachbefragung mit der Testperson durch und reflektiert diese. Diese Daten konkretisieren und validieren die durch die Nutzerbeobachtung und Denkprotokolle gewonnenen Erkenntnisse.
Strukturierte Ergebnisaufbereitung: Klar, verständlich, umsetzbar
Die Aufbereitung der Erkenntnisse aus einem User Feedback Day ist entscheidend für die effektive Weiterverarbeitung der gewonnenen Einsichten. Je nach Fragestellung, Verwendungszweck und individuellen Anforderungen sollten Sie sich Gedanken über das hilfreichste Format machen, um die Ergebnisse optimal in Ihre Prozesse zu integrieren. Beispiele:
- Schriftlicher Ergebnisbericht (PPT)
Detaillierte visuelle Darstellung der UX-Probleme ergänzt durch konkrete Handlungsempfehlungen zur Optimierung. - Exceltabelle
Strukturierte Auflistung der Erkenntnisse mit Priorisierung, um eine schnelle und gezielte Umsetzung zu ermöglichen. - JIRA-Import
Direkte Integration der identifizierten UX-Probleme und Verbesserungsvorschläge in bestehende agile Entwicklungsprozesse. - Visuelle Ausarbeitung
Mockups oder optimierte Prototypen, um Optimierungspotenziale anschaulich darzustellen und Designentscheidungen zu erleichtern. - Videos der Tests
Videos der kompletten Testsessions oder als Highlight-Videos, die die zentralen Erkenntnisse in komprimierter Form visualisieren.
In der folgenden Abbildung sehen Sie eine Beispielseite eines schriftlichen Ergebnisberichts. Solche Berichte umfassen bis zu 30 Seiten, je nach Umfang der getesteten Themen. Sie enthalten eine strukturierte Analyse der UX-Probleme, priorisierte Optimierungspotenziale und klare Empfehlungen zur direkten Umsetzung. Auch positive Erkenntnisse werden hervorgehoben, damit bewährte Elemente erhalten bleiben und gezielt weiterentwickelt werden.
Fazit & Ausblick
Agile Produktentwicklung steht an einem Wendepunkt: In der Kombination aus kontinuierlichen User Feedback Days und einem dualen Entwicklungsansatz – Discover und Deliver – entstehen Synergien. Diese fördern technisch ausgereiftere Lösungen, vielmehr birgen sie noch den Raum für echte Innovation.
Wann ist der richtige Zeitpunkt zu starten? Am besten jetzt – denn:
- Marktanforderungen wandeln sich stetig.
Digitalisierung ist dynamisch. Nutzerbedürfnisse entwickeln sich stetig, und Unternehmen müssen flexibel reagieren, um hier mitspeilen zu können. - Technische Exzellenz braucht Nutzerfokus.
Die Balance zwischen technologischer Umsetzung und dem Verständnis der Nutzerbedürfnisse ist entscheidend. - Iterativ zum besseren Produkt.
Kontinuierliches Nutzerfeedback ermöglicht schrittweise Optimierungen – ein zentrales Prinzip agiler Entwicklung.
Wie integrieren Sie UX in Ihren agilen Prozessen? Arbeiten Sie wirklich agil? Welche Herausforderungen begegnen Ihnen dabei?
Teilen Sie Ihre Erfahrungen in den Kommentaren oder sprechen Sie uns direkt an – wir freuen uns auf den Austausch!