Seit der Gründung von eresult im Mai 2000 haben wir eine Menge Nutzertests durchgeführt. Neben positiven Findings gibt es immer auch Usability-Probleme. Einige davon treten besonders häufig auf - man kann sie in fast jedem Nutzertest beobachten.
Im Folgenden habe ich 21 dieser häufig auftretenden Usability Fails niedergeschrieben.
Wichtig: Das Orientieren an diesen Parade-Beispielen für schlechte Usability ersetzt keinen Nutzertests! Usability-Probleme sind immer im Nutzungskontext zu betrachten und hängen von der Zielgruppe ab.
Wir beobachten des Öfteren, dass Nutzende Fehlermeldungen nicht verstehen. Sie sind zu technisch beschrieben und nicht in der Sprache der Nutzenden formuliert. Der Grund, weshalb etwas nicht funktioniert, bleibt somit verschleiert. Im Interaktionsprinzip der Robustheit gegenüber Benutzungsfehlern (DIN EN ISO 9241-1) wird dieses Problem beschrieben und darauf eingegangen, worauf bei der Konzeption von Fehlermeldungen geachtet werden sollte.
Neben kryptisch formulierten Fehlermeldungen fehlen Nutzenden Hilfestellungen, wie das Problem/ der Fehler behoben werden kann, um fortzufahren. Sie werden mit der Situation allein gelassen.
Wie es besser geht, zeigen wir Ihnen in unserem Artikel über perfekte Fehlermeldungen in Formularen.
Insbesondere in Usability Tests mit älteren Nutzenden, wird sich bei Betrachtung eines Testgegenstands gern die Brille aufgesetzt. Die Informationserfassung ist anders nicht möglich, beziehungsweise erfordert großen Aufwand.
Wir beobachten des Öfteren Nutzende, die über Texte hinwegscrollen und darin enthaltene Informationen übersehen. In einer Idealvorstellung sitzen Nutzende gemütlich am Wochenende mit aller Zeit der Welt und einer Tasse Kaffee auf dem Sofa und öffnen die jeweilige App/Webseite o.Ä.
Die Realität bringt allerdings andere Nutzungsszenarien hervor, in denen Informationen in kurzer Zeit unter Aussetzung von Störfaktoren verstanden werden müssen.
In nahezu jedem Nutzertest wird uns über fehlende Informationen berichtet. Seien es Produktinformationen oder Erklärungen zu einem bestimmten Prozess – Nutzende sind verunsichert, wenn sie Informationen übersehen oder nicht bekommen, die sie benötigen. Das hier zu Grunde liegende Interaktionsprinzip ist die Aufgabenangemessenheit nach der DIN EN ISO 9241-110.
Aber nicht nur fehlende Informationen sind ein Problem, auch fehlende Funktionen oder Services. Werden bei der Entwicklung eines Produktes die Nutzungsanforderungen nicht nutzerzentriert ermittelt, besteht die Gefahr, dass am Nutzenden vorbeientwickelt wird. In Usability-Tests kommt dieses Problem in Form von fehlenden Funktionen oder Services zum Vorschein.
Der Abschluss eines Kaufvertrags oder die Reservierung eines Beratungstermins sind sensible Momente eines jeden Nutzenden. Buttons mit Beschriftungen wie „Jetzt kaufen“ oder „Kostenpflichtig bestellen“ weisen auf einen Abschluss hin. Nutzende sind jedoch oft wegen undeutlicher Button-Beschriftungen verunsichert.
Fall 1: Ein Abschluss wird suggeriert (z.B. „Jetzt abschließen und zur Übersicht“, es wird aber bei Klick kein Kaufabschluss erzeugt.
Fall 2: Die Beschriftung wirkt, als würde bei Klick kein Abschluss passieren („Weiter“), es findet aber ein Abschluss statt.
Beide Situationen sollten verhindert werden, um Nutzenden das Gefühl von Kontrolle und Sicherheit zu vermitteln.
Ein Instrument, um die volle Aufmerksamkeit von Nutzenden zu bekommen, sind Pop Ups. In den seltensten Fällen beinhalten sie Informationen, die Nutzende in genau diesem Moment helfen. Dies führt zu Frust-Momenten und dem sofortigen Schließen des Pop Ups.
Niemand wartet gern. Wenn es um Technik geht schon gar nicht. Technische Geräte werden aufgrund besserer Hardware und performanter Software immer schneller. Trotzdem kommt es bei Nutzenden häufig zu dem Moment der Ungeduld, wenn Anwendungen zu lange laden.
Passend zum Thema „lange Ladezeiten“ passt das Usability-Problem des fehlenden Systemfeedbacks. Wenn ein System lädt und Nutzende darüber nicht aufgeklärt werden, entsteht Unsicherheit und Ungeduld. Wildes Umherklicken ist dann keine Seltenheit. Es sollte im Sinne der Selbstbeschreibungsfähigkeit (DIN EN ISO 9241-110) darauf geachtet werden, Nutzende über Ladeprozesse in Kenntnis zu setzen. Nutzende sollten immer darüber aufgeklärt werden, an welcher Stelle im Prozess sie sich gerade befinden. Andernfalls denken sie möglicherweise, dass das System abgestürzt sei. Dieses Problem gibt es auch im Zusammenhang mit fehlenden Fortschrittsanzeigen. Auch hier ist es wichtig, Nutzenden transparent zu zeigen, an welcher Stelle sie sich befinden.
Nutzende sind verunsichert, wenn sie mehrmals nach denselben Informationen gefragt werden. Sie fragen sich, ob die Daten nicht gespeichert wurden und ärgern sich über den Mehraufwand, da der Computer die Informationen sich ja gut hätte merken können. Das hier zu Grunde liegende Interaktionsprinzip ist die Robustheit gegenüber Benutzungsfehlern (DIN EN ISO 9241 – 110).
Als Beispiel: Es soll eine Telefonnummer eingegeben werden und die Tastatur auf dem mobilen Endgerät zeigt Buchstaben an. Nicht zur erfragten Information passende Tastaturlayouts verunsichern Nutzende und erschweren die Eingabe.
Die Eingabe von persönlichen Daten ist zum Beispiel für die Buchung eines Beratungsgesprächs notwendig. Wir beobachten, dass Nutzende die Funktion zum automatischen Ausfüllen der persönlichen Daten erwarten. Wird die Autofill-Funktion nicht angeboten, entsteht Frust, da alle Daten manuell eingegeben werden müssen.
Der/die Nutzer*in soll sein/ihr Geburtsdatum eingeben. Eigentlich keine große Sache. Oft verhindern vom Browser bereitgestellte Date Picker jedoch eine intuitive Auswahl des Jahres, sodass Nutzende in den Monaten so lange zurückgehen müssen, bis sie zu ihrem Geburtsdatum gelangen. Erschwerend kommt hinzu, dass meist das derzeitige Datum vorausgewählt ist, welches weit vom Geburtstag entfernt ist.
Nutzende sind bei der Eingabe von persönlichen Informationen sparsam. Sie wollen (z.B. in einem Bestellprozess) nur die notwendigen Daten eingeben. Oftmals ist nicht konform gekennzeichnet, welche Eingaben für das Fortfahren verpflichtend sind. Dies führt zu Unsicherheit bei Nutzenden und versehentlich unvollständig ausgefüllten Formularen.
Fast in jedem Nutzertest sind Klicks auf Elemente zu beobachten, die nicht klickbar sind. Das liegt zum Beispiel daran, dass das Element so aussieht, wie ein Link oder ein aktiver Button. Es wird erwartet, dass bei Klick mehr Informationen erscheinen, sich zum Beispiel eine andere Seite öffnet. Beschrieben ist dieses Usability-Problem im Interaktionsprinzip der Selbstbeschreibungsfähigkeit nach DIN EN ISO 9241 – 110.
Nutzende gewöhnen sich an Interaktionskonzepte. Wenn sie beispielsweise mehrmals den Button zum Weitergehen unten rechts geklickt haben, erwarten sie diesen dort auch auf den Folgeansichten. Wir beobachten des Öfteren, dass Buttons von Nutzenden missverstanden werden, weil sie inkonsistent – nicht, wie erwartet - platziert sind. Das hier zu Grunde liegende Interaktionsprinzip ist die Erwartungskonformität nach DIN EN ISO 9241 – 110.
Es kommt insbesondere in mobilen Ansichten von Webseiten häufig vor, dass Dropdown- bzw. Navigationsmenüs als eigene Seite interpretiert werden. Gern wird auf den Zurück-Button gedrückt, um auf die Ansicht ohne das Menü zu gelangen. Es öffnet sich dann Google oder eine andere unerwartete Seite, da diese die zuvor besuchte Ansicht war.
Es kommt vor, dass Nutzende schnell Hilfe benötigen, wenn mal etwas nicht so klappt, oder sie Fragen haben. Kontaktmöglichkeiten sind dann meist entweder versteckt, eingeschränkt (nur ein Kontaktweg) oder nur auf Umwegen verfügbar. Dies ist problematisch, weil offene Fragen von Nutzenden unbeantwortet bleiben und somit Unsicherheit besteht, einen nächsten Schritt zu gehen.
Ist die Auswahl groß, eignet sich der Einsatz von Filtern (z.B. in einem Online Shop zum Filtern von Schuhen in einer bestimmten Größe). Problematisch ist es, wenn bei Auswahl eines Filterkriteriums bereits die Filterung gestartet wird. Nutzende wollen in bestimmten Anwendungsfällen mehrere Filter setzen. Es sollte also im Sinne der Steuerbarkeit (DIN EN ISO 9241 – 110) darauf geachtet werden, Nutzende dazu zu bemächtigen, eine Filterauswahl treffen zu können und die Filterung manuell zu starten.
Neben dem Problem, dass Filter sich oft nicht so verhalten, wie erwartet, wünschen sich Nutzende häufig Filteroptionen, die nicht angeboten werden. Die vorhandenen Filterkriterien sind meist zu technisch und nicht in der Sprache der Nutzenden formuliert. Beispiel Matratzen: Es ist möglich, nach Material (Kaltschaum, Gelschaum, Bonellfederkern etc.) zu filtern, jedoch bleibt offen, was ein bestimmtes Material für Vorteile hat. Infolgedessen kann nicht danach gefiltert werden. Dies erschwert den Weg zum anvisierten Ziel.
Genug über Probleme sinniert? :) Ich hoffe, dass in diesem Beitrag der ein oder andere interessante Gedankenanstoß dabei war. Ich möchte nochmal betonen, dass diese Liste nicht vollständig ist und keine Nutzertests ersetzt. Die permanente Einbeziehung von potentiellen Nutzenden in den Entwicklungsprozess ist der einzige Weg zu erfolgreicher Produktentwicklung.
Senden Sie mir gern eine E-Mail, ich freue mich über Ihr Feedback!
Friedemann Dohse
User Experience Consultant