Design Sprint remote: Die Vorteile von Innovationsworkshops mit verteilten Teams
Design Sprints gehören derzeit zu den beliebtesten Innovationsworkshops. Vom Startup bis zum Großkonzern – alle wollen die durch Google Ventures bekannt gewordene Methode nutzen, um neuartige Lösungen innerhalb weniger Tage zu entwickeln. Der Vorteil liegt klar auf der Hand: ein vergleichsweise geringer Kostenaufwand, mit dem ein kleines, interdisziplinäres Expertenteam gemeinsam sehr schnell innovative Produktideen entwickelt.
Zu mindestens einer Siegeridee erhält das Team am Ende bereits erste qualitative Rückmeldungen von echten Nutzern. Ein Blick in die Zukunft also, mit dem sich schnell herausfinden lässt, ob eine Idee zielführend ist und wo evtl. noch einmal angesetzt werden sollte.
Immer wieder taucht hier früher oder später die Frage auf, ob Design Sprint Workshops eigentlich auch ortsunabhängig bzw. virtuell funktionieren. Etwa deshalb, da das Sprint-Team international aufgestellt ist oder – wie aktuell durch Corona bedingt – alle Teilnehmer aus dem Homeoffice agieren müssen.
Jake Knapp, der Erfinder des Design Sprints, beantwortete diese Frage 2016 in seinem berühmten Buch noch mit einem „Vielleicht“. Als besondere Herausforderung sah Knapp den Aufbau einer engen Beziehung zu den anderen Sprint-Teilnehmern und vor allem das Fehlen von digitalen Werkzeugen, welche die gemeinsame Arbeit mit Whiteboards und Haftnotizen ersetzen. (Vgl. Jake Knapp: Sprint. Wie man in nur fünf Tagen neue Ideen testet und Probleme löst, München 2016, S. 232.)
Keinerlei Probleme sah er bei den Experteninterviews oder den finalen Nutzertests, bei denen es ohnehin eine gute Option ist, Remote Interviews zu führen, um die geeignetsten Experten bzw. Probanden zu erreichen.
Wie ist diese Situation heute zu bewerten? Seit 2016, als sein Sprint-Buch erschien, ist viel passiert. Und daher können wir selbstsicher sagen: Design Sprints sind Remote definitiv durchführbar. Sehr gut sogar und sie bringen darüber hinaus auch einige Vorteile mit sich. Doch schauen wir uns zunächst einmal die wesentlichen Punkte an, die für eine erfolgreiche Durchführung von Remote Design Sprints beachtet werden sollten.
Remote Design Sprints - Worauf Sie achten sollten?
Um die Vorteile von Remote Design Sprints voll ausschöpfen zu können, sollten Sie Folgendes beachten:
Die richtige Software ist entscheidend!
Es gibt einige Methoden innerhalb eines Design Sprints, für die Whiteboards, Papier, Haftnotizen oder einfach nur große freie Wandflächen nötig sind. Stündlich werden im gesamten Raum Informationen zusammengetragen, die für alle Sprint-Teilnehmer permanent sichtbar bleiben müssen und als Inspirationsquelle und/oder Abstimmungsfläche dienen. Dieses Problem war für Knapp kaum zu lösen. Heute existieren hierzu aber spezielle Online Tools, wie z. B. Mural oder Miro, mit denen wir uns spielend einfach auf großen virtuellen Freiflächen bewegen, Haftnotizen ankleben und sogar Dot Votings durchführen können. Durch integrierte Chatfunktionen und Verknüpfungen mit anderen Werkzeugen (Slack, MS Teams, Google, JIRA uvm. …) bleiben dabei kaum Wünsche offen.
Auf miro.com finden wir sogar eigens angefertigte Templates für Remote Design Sprints und andere Kreativ-, Marketing- und UX-Methoden (z. B. Empathy Maps und Mockup-Vorlagen). Die kostenpflichtige Version enthält darüber hinaus eine integrierte Stoppuhr, um das Lieblingswerkzeug eines jeden Design Sprint Moderators digital nachzubilden: den Time Timer.
Als Ergänzung bieten sich weitere nützliche Werkzeuge an. Z. B. Slack, Skype oder Basecamp sowie Whereby, Webex oder Zoom, um mit der Gruppe permanent kommunizieren zu können (offline Text, Video-Chats und Bildschirmfreigaben).
Dropbox oder Google Drive, um blitzschnell Dateien oder Fotos (z. B. von den Lösungsskizzen) austauschen zu können. Vor dem Einsatz der Tools ist unbedingt darauf zu achten, dass diese datenschutzkonform und in Einklang mit der IT-Sicherheit des Unternehmens/Kunden stehen.
Je nach Ergebnis und Teamzusammensetzung, bietet es sich vielleicht auch an den Prototypen so anzulegen, dass mehrere Teilnehmer gleichzeitig an diesem arbeiten können. Das geht z. B. mit dem umfangreichen Online-Prototyping-Tool Figma.
Nicht am falschen Ende sparen – bei Online Design Sprints auf hochwertige Hardware-Ausstattung der Teilnehmer setzen!
Es ist ungemein anstrengend mehrere Tage am Stück mit knarzenden Mikrofonen, mit dumpfen, leisen Stimmen oder stetigem Raumhall konfrontiert zu werden. Daher sollte vor Beginn des Sprints unbedingt jeder Teilnehmer über funktionstaugliche Headsets verfügen. Vor allem der Moderator sollte perfekt zu verstehen sein, weshalb es gerade für diese Rolle angebracht ist auf die bestmögliche Ausstattung zu achten (etwa mithilfe eines Podcast-Mikrofons). Arbeiten mehrere verteilte Gruppen zusammen, sind gute Konferenzlautsprecher unabdingbar.
Alle Teilnehmer sollten zwingend auch über eine Webcam verfügen. Auch hier sollte mindestens der Moderator auf hochqualitative Geräte und genügend Raumlicht achten.
Beugen Sie Ablenkungen vor!
Es hat einen guten Grund, warum bei einem regulären Design Sprint Laptops und Smartphones streng verboten sind. Bei einem Remote Design Sprint müssen wir auf diese Regel leider weitestgehend verzichten. Trotzdem gibt es ein paar gute Möglichkeiten, um die Ablenkung gering zu halten:
Webcams helfen nicht nur dabei, das Teamgefühl zu stärken, sondern auch, um Ablenkungen zu vermeiden, dadurch dass sich die Teilnehmer gegenseitig „beobachtet“ vorkommen. Bei der Sprint-Moderation können Sie so auch immer wieder auf die Blicke der Teilnehmer achten. Wirken sie evtl. desinteressiert oder unkonzentriert? Dann fragen Sie freundlich und aktiv nach, um keinen Teilnehmer zu verlieren. Das geht dank digitaler Tools auch ganz diskret per privater Chat-Nachricht.
Bei einem Remote Design Sprint ist es zudem noch wichtiger ca. alle 90 Minuten eine kurze Pause zu machen, da bei virtuellen Konferenzen viele Personen schneller ermüden. Dies ist einer der Hauptgründe, warum es sinnvoll ist, den üblichen Sprint-Ablauf etwas zu entzerren. Wir bei eresult lösen das, indem wir die ersten Workshop-Tage, an denen die Anwesenheit des gesamten Teams entscheidend ist, jeweils halbieren und auf separate Tage legen. Dies führt zwar dazu, dass der Gesamtprozess bis zu zwei Tage länger dauert – dafür fällt den Teilnehmern aber auch die Teilhabe leichter und sie haben anschließend noch etwas Zeit, ihre täglichen E-Mails und Aufgaben auch nach dem Sprint noch ausreichend zu bearbeiten.
Ein online Design Sprint steht und fällt mit der Vorbereitung!
Selbstverständlich sollten auch bei einem Remote Design Sprint vorab alle Sprint-Teilnehmer darüber informiert werden, Telefon und E-Mail-Clienten ausgeschaltet zu lassen sowie jegliche Arbeiten an Nebenprojekten vor oder nach dem Sprint zu erledigen. Snacks und Getränke können aus der Ferne natürlich nicht bereitgestellt werden – weisen Sie deshalb alle Teilnehmer im Vorfeld darauf hin, kleine Knabbereien parat zu haben.
Wenn der Design Sprint international wird, ist es sehr wichtig, die unterschiedlichen Zeitzonen einzuplanen. Vermeiden Sie, dass für manche Teilnehmer der Sprint schon um 5 Uhr morgens beginnt, während andere bis 23 Uhr aktiv dabei sein sollen. Dies erreichen Sie, indem Sie sich vorher auf einen gemeinsamen Zeitrahmen festzulegen, z. B. mittels Doodle.
Um nicht unnötig Zeit zu verlieren, müssen die Sprint-Teilnehmer unbedingt schon vorab über die notwendigen Online-Tools und Software informiert werden. (Ggf. müssen Benutzerkonten erstellt werden.) Es erleichtert den Einstieg, wenn sich die Teilnehmer vorab schon mit den neuen Programmen vertraut machen können. Verwenden Sie Tools wie Mural oder Miro, sollten Sie am Anfang etwas zusätzliche Zeit einplanen, um jedem Teilnehmer die wichtigsten Funktionen kurz zu erklären. Natürlich muss auch bei Remote Design Sprints zu Beginn weiterhin eine kurze Einführung in Design Sprints generell gegeben werden.
Großzügige Zeitplanung bzw. Pausenzeiten sind das A&O
Nicht nur aufgrund der Erschöpfungsgefahr sollten Sie bei einem Remote Design Sprint auf ausreichend Pausenzeiten achten. Wie bei jedem virtuellen Treffen müssen Sie damit rechnen, dass zwischendurch ungeplante Störungen auftreten können. Egal ob es sich um Internetprobleme, ein defektes Mikrofon, eine hochsensible Firewall, Baustellenlärm oder einen unangekündigten Besucher handelt: Es ist besser, von Beginn an über längere Pausenzeiten zu verfügen, die sich notfalls etwas verkürzen lassen, als schließlich den Sprint zu überziehen. Oder noch schlimmer, Teilnehmer vorzeitig zu verlieren, aufgrund dringender Anschlusstermine!
Der Moderator ist beim Remote Design Sprint noch mehr denn je als Feel Good Manager gefragt!
Neben der bereits genannten Punkte, ist es bei einem Remote Design Sprint für den Moderator noch wichtiger, sicherzustellen, dass alle Teilnehmer aufmerksam und aktiv beschäftigt sind, um das Zusammengehörigkeitsgefühl nicht zu gefährden. Es hilft ungemein, hierbei noch häufiger als sonst nachzufragen wie es den Teilnehmern geht und sich zwischendurch Rückmeldungen einzuholen.
Wie wir sehen, gibt es ein paar wichtige Dinge, die wir bei einem Remote Design Sprint beachten müssen. Anstelle der damaligen Befürchtung Jake Knapps, dass es Hindernisse bei geeigneten Software-Tools geben könnte, sehen wir, dass es doch vielmehr die Anstrengung und Ablenkungsgefahr bei der längeren Arbeit mit dem Bildschirm ist, auf die wir vorbereitet sein müssen.
Was sind nun die Vorteile von Remote Design Sprints?
Remote Design Sprints…
…sind optimal für internationale bzw. verteilte Teams
Für Unternehmen mit mehreren Standorten in verschiedenen Ländern ist es eine enorme Kosteneinsparung, die eigenen Mitarbeiter aus der Ferne zusammen zu bringen. Auch hierbei hilft ein virtueller Design Sprint natürlich wieder ungemein, Spezialisten aus unterschiedlichen Teams zu vermischen, Expertenwissen verfügbar zu machen und das Gemeinschaftsgefühl der Mitarbeiter nachhaltig zu stärken.
…benötigen keinen speziellen Sprint-Raum
Während wir bei einem regulären Design Sprint auf einen großen Raum mit freien Wandflächen und möglichst beweglichen Möbeln angewiesen sind (den wir mehrere Tage in Beschlag nehmen müssen), benötigen wir Remote nur eine ruhige Umgebung mit Internetzugang.
…benötigen nicht viel Material
Unser Arbeitsmaterial liegt größtenteils digital vor. Dadurch entfällt zugleich im Nachgang viel zusätzlicher Dokumentationsaufwand. (Es hat sich jedoch gezeigt, dass die Skizzier-Aufgaben analog auf Papier besser funktionieren. Diese lassen sich anschließend fotografieren und über die Cloud teilen. Einige Teilnehmer machen sich auch gerne während des Workshops persönliche Notizen.)
…sparen Kosten:
Keine Raummiete (auch nicht für den Nutzertest) und kein analoges Arbeitsmaterial außer ggf. Software-Lizenzen bedeuten, dass der Kostenaufwand am Ende geringer ausfallen kann, als wenn alle Teilnehmer vor Ort anwesend wären.
…geben neue Möglichkeiten
Verschrieben? Mehrere Ideen mit demselben Ansatz? Dank digitaler Arbeitsweise können wir nun auch Copy+Paste sowie Strg+Z nutzen, wenn wir z. B. unsere WKW-Notizen schreiben (WKW = "wie können wir"). Mit Mural und Miro können wir auch einfach Inhalte oder Zeilen aus Word- und Excel-Dokumenten kopieren und automatisch als digitale Haftnotizzettel einfügen. Solche und ähnliche Funktionen sparen viel Zeit.
…bieten den Teilnehmern eine sichere kreative Basis
Bei einigen Übungen ist es für alle Teilnehmer hilfreich, wenn sie ihre Notizen und Skizzen allein für sich erstellen können. So entfallen automatisch Blicke und Sprüche von Kollegen und die Arbeit an den einzelnen Aufgaben wird hierdurch erleichtert.
Fazit: Remote Design Sprints sind eine gute Alternative
Wir sind davon überzeugt, dass Remote Design Sprints eine gelungene Alternative zu einem regulären Design Sprint darstellen und zusätzliche Vorteile mit sich bringen. Aufpassen muss man allerdings vor allem bei der Vorbereitung und Zeitplanung, um tückische Fallen wie Ablenkung und Konzentrationsverlust zu umgehen. Die inzwischen verfügbaren Werkzeuge ermöglichen einen spielend leichten Transfer der sonst analogen Methoden in die digitale Welt. Letztlich bleibt jedoch alles wie bei jedem Design Sprint: Es geht niemals bloß um die richtigen und besten Tools, sondern immer nur darum, dass alle Teilnehmer gut zusammenarbeiten können.
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